Redaktion ekkw.de
Veröffentlicht 03 Feb 2011

Marburg/Wiesbaden (epd). Das Marburger «Forschungszentrum Deutscher Sprachatlas» hat die Reihe «Hessische Sprachatlanten» abgeschlossen. In den vier Bänden wird der Sprachgebrauch der Hessen dokumentiert. Im nördlichen Hessen sei das Standarddeutsch schon weit fortgeschritten, während im Süden ein «Neuhessisch» gesprochen werde, sagte der Herausgeber Heinrich J. Dingeldein. Der Sprachwissenschaftler überreichte den letzten Band, der sich mit der Alltagssprache im ländlichen Hessen befasst, Wissenschaftsministerin Eva Kühne-Hörmann (CDU) am Dienstag im Wiesbadener Landtag.

Das «Neuhessisch» werde überall in Deutschland verstanden, doch sei klar, woher der Sprecher komme, sagte Dingeldein. Er nannte als Beispiele das Wort «hawwe» anstelle von «haben» oder «Awweit» statt «Arbeit». Diese Variante werde bis in die Wetterau hinein von der jüngeren Generation verwendet. Die Regionen besäßen ein «unterschiedliches sprachliches Bewusstsein», erläuterte der Sprachwissenschaftler. Frankfurt sei eine wirtschaftlich starke Region, international bekannt durch den Flughafen. «Man identifiziert sich damit.» Menschen aus dem wirtschaftlich schwächeren Nordhessen hingegen müssten «überall in Deutschland Arbeit suchen» und daher Hochdeutsch sprechen.

Die «alten Dialekte» aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gehen Dingeldein zufolge zurück. «Aber die regionale Gebundenheit von Sprache bleibt erhalten.» Man könne sowohl «Junge» als auch «Bub» sagen. Ein gutes Beispiel für den Wandel der Sprache sei der Gebrauch von «Sonnabend» im Norden und «Samstag» im Süden. Hier verlaufe eine Trennlinie zwischen Gießen und Marburg. Der neue Atlas zeige, dass inzwischen auch in den ländlichen Gebieten des Nordens Belege für «Samstag» zu finden sind. In den Städten sei der Gebrauch des «Sonnabends» mittlerweile fast ganz verschwunden.

Der letzte Band mit dem Titel «Wortatlas zur Alltagssprache der ländlichen Räume Hessens» zeigt auf rund 200 Karten, welche Wörter in den einzelnen Sprachlandschaften Hessens in Gebrauch sind. Der dritte Band ist ein statistischer Atlas zum Sprachgebrauch («Dialektzensus»), der zweite beschäftigt sich mit den Städten und der erste ist ein Dokumentationsband. «Für kein anderes Bundesland liegt bisher eine vergleichbare Dokumentation zur Alltagssprache vor», erklärte Dingeldein. Das Forschungszentrum Deutscher Sprachatlas am Fachbereich Germanistik und Kunstwissenschaften der Philipps-Universität Marburg ist das weltweit älteste sprachwissenschaftliche Forschungszentrum.

Literaturhinweis: Wortatlas zur Alltagssprache der ländlichen Räume Hessens. Herausgegeben und bearbeitet von Heinrich J. Dingeldein unter Mitarbeit von Christoph Hallerstede, Michael Kusch und Marisé Vidal. Tübingen, Francke Verlag 2010 (Hessische Sprachatlanten Band 4). ISBN 978-3-7720-1813-8. (03.02.2011)

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Das Marburger «Forschungszentrum Deutscher Sprachatlas» finden Sie im Internet unter:

deutscher-sprachatlas.de