Unser Foto zeigt Propst Mantey während seiner Rede in der Synagoge in Vöhl.

Unser Foto zeigt Propst Mantey während seiner Rede in der Synagoge in Vöhl.

Redaktion ekkw.de
Veröffentlicht 01 Jan 1970

Vöhl. Mit einem Friedensgebet in der Martinskirche und einer eindrucksvollen Gedenkfeier in der ehemaligen Synagoge ist in Vöhl (Waldeck-Frankenberg) an die dortigen Opfer der Pogrome im Jahr 1938 erinnert worden, die von den Nationalsozialisten den zynischen Namen «Reichskristallnacht» bekam. Jugendliche aus der Kirchengemeinde entzündeten in Gedenken an die Toten 72 Kerzen; dazu wurden ihre Namen verlesen. Sarah Küpfer und Günter Maier trugen das jüdische Totengebet «Kaddish» in deutscher und aramäischer Sprache vor. Die musikalische Gestaltung lag bei Yvonne Schmidt-Volkwein, Anne Petrossow und Renate Walprecht.

Propst Dr. Volker Mantey ging in seiner Rede auf die Schwierigkeiten ein, die Erinnerung an die Gräuel der Nazizeit ohne Zeitzeugen wachzuhalten. Nur noch sehr wenige Menschen könnten aus eigener Anschauung aus dem «3. Reich» berichten, für Propst Mantey erwächst daraus der Auftrag, das Wissen über diese Zeit an die nächsten Generationen weiterzugeben. Genauso wichtig sei jedoch, sagte er in Anlehnung an Maram Stern vom Jüdischen Weltkongress, einen emotionalen Zugang zu erhalten. Ein Beispiel für solch eine Möglichkeit seien die Tagebücher von Anne Frank.

Propst Dr. Volker Mantey

Propst Dr. Volker Mantey

«Unser Gedächtnis funktioniert nur, wenn es lebendig ist, wenn es angesprochen und wachgehalten wird», sagte Mantey. Genau das geschehe an diesem Abend in Vöhl. In seiner Rede ging der Theologe, der die Bischöfin vertrat, auch auf den Antisemitismus ein, der sich nach dem Terror der Hamas in unserer Gesellschaft deutlicher als bisher zeige. Mantey schlug einen Bogen zum Christentum, denn auch die biblischen Ereignisse, auf die sein Glauben aufbaue, seien nicht persönlich erlebt, aber in der Erinnerung lebendig. Diese Art des Erinnerns verbinde Juden und Christen. Daher erfülle es ihn mit tiefem Schmerz, «dass es eine Zeit in diesem Land gab, in der auch Christen meinten, besser ohne jüdische Schwestern und Brüder an den gemeinsamen Gott glauben zu können».

Das Friedensgebet in der evangelischen Martinskirche hatten Pfarrer Jan Friedrich Eisenberg und Vikar Jan Homann gestaltet. In der Gedenkstunde sprach auch Karl-Heinz Stadtler, Vorsitzender des Fördervereins Synagoge in Vöhl, der sich sehr um das Gebäude und die Erinnerungskultur im Ort verdient gemacht hat. Er erinnerte auch an die Kriege in der Ukraine und im Gazastreifen sowie die Terrorangriffe der Hamas.

Mantey schloss seine Ansprache mit einem optimistischen Akzent. Studien hätten ergeben, dass junge Leute sich für die nationalsozialistische Vergangenheit interessierten, auch wenn sie vergleichsweise wenig darüber wüssten, wie die Nazi-Diktatur funktionierte. Diese Vermittlung sei eine Aufgabe für die Älteren: «Es liegt an uns, dass wir plausibel erklären, wie der Nationalsozialismus und der Terror der damaligen Zeit funktionierten.» (10.11.2023)

Videoführung durch die Synagoge in Vöhl. (Video: synagoge-voehl.de)