Redaktion ekkw.de
Veröffentlicht 11 Aug 2017

Kassel (medio/Olaf Dellit). Die Ausstellung «Luther und die Avantgarde» in der Kasseler Karlskirche hat Christopher Posch sehr beeindruckt, besonders die Fundstücke von Flüchtlingen. Die Künstler Thomas Kilpper und Massimo Ricciardo haben sie auf der Insel Lampedusa am Strand gesammelt und jetzt ausgestellt. «Diese Dinge sollte man denen entgegenhalten, die am Stammtisch so banal über das Thema reden», sagte er. Im Begleitprogramm der Ausstellung sprach Posch, durch eine RTL-Sendung bekannter Strafverteidiger und Reformationsbotschafter, über das Thema «Freiheit ist das höchste Gut». 

In seiner Generation werde Freiheit oft als selbstverständlich wahrgenommen, sagte der 41-Jährige, das sei sie aber nicht. «Menschen auf der ganzen Welt sehnen sich nach nichts mehr als nach Freiheit.» Dafür kämpften sie oder flüchteten. So sei es wichtig, sich auch hierzulande für die Freiheit einzusetzen, ganz so, wie es Martin Luther zu seiner Zeit getan habe.

Posch zählte grundlegende Freiheitsrechte aus dem Grundgesetz auf, darunter die Meinungs-, Religions- und Pressefreiheit, aber auch die Unverletzlichkeit der Wohnung und das Asylrecht. Die Grenzen der Freiheit lägen dort, wo andere Menschen in ihrer Freiheit betroffen seien. Es gebe Bereiche, in denen Einschränkungen notwendig seien, sagte der Anwalt. Als Beispiel nannte er «Fake News» – also bewusst falsche Nachrichtenmeldungen – speziell in sozialen Netzwerken. Das müsse man sicherlich juristisch einschränken. Auch der Handel könne nicht völlig frei sein, sagte Posch, etwa wenn T-Shirts für fünf Euro verkauft würden, die nur mit Ausbeutung produziert werden könnten. Kritisch zeigte er sich bei einer zunehmenden Videoüberwachung und bei der Datenspeicherung. Bei jeder Beschränkung von Freiheiten müsse man diese hinterfragen. 

Für ihn als Strafverteidiger sei die individuelle Freiheit täglich Thema. Jedem könne es passieren, dass ihm die Freiheit genommen werden – etwa dem Arzt wegen eines Kunstfehlers oder auch wegen einer falschen Beschuldigung. Posch erzählte von einem Mandaten, der in Südspanien verhaftet worden war. Die Überstellung in ein deutsches Gefängnis habe sich mit vielen Zwischenstationen über ein halbes Jahr hingezogen, es folgte ein weiteres halbes Jahr in Untersuchungshaft, bevor der Mann nach 30 Prozesstagen freigesprochen worden sei. Gemeinsam mit dem Mann sei er aus dem Gerichtsgebäude getreten, wo sie strahlende Sonne und eine frisch gemähte Wiese empfing: «Ich konnte in diesem Moment die Freiheit förmlich atmen, die dieser Mann empfand.»

Nach Poschs Vortrag durften die gut 120 Besucher in der Karlskirche Fragen stellen. Pfarrerin Petra Schwermann, Sprecherin und Reformationsdekaden-Beauftragte der Landeskirche, moderierte. Sie fragte Posch nach dem Kirchenasyl, zu dem er sich schon zu Beginn des Abends positiv geäußert hatte. Man müsse den Menschen, die solch ein Asyl anböten, den Rücken stärken, antwortete er. Und selbst, wenn Gerichte dagegen vorgingen, gelte: «Da muss man cool bleiben.» Und was, fragte Schwermann, würde Posch Luther fragen, wenn der in der Karlskirche säße. Die lockere Antwort: «Ich würde ihn fragen, wie ihm mein Vortrag gefallen hat.»

Musikalisch begleitet wurde der Abend von Sänger Jochen Faulhammer (Bass), der so unterschiedliche Freiheitslieder wie «Die ganze Welt hast Du uns überlassen»; «Ol’ Man River» aus dem Muscial «Show Boat», das portugiesische «Grândola, Vila Morena», «Jerusalem aus Gold» und «Freiheit» von Marius Müller-Westernhagen sang. (11.08.2017)

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