Redaktion ekkw.de
Veröffentlicht 08 Nov 2017

Kassel/Bad Hersfeld (epd). Der ausbleibende Widerstand bei der Zerstörung der Kasseler Synagoge am 7. November 1938 durch die Nationalsozialisten hat nach den Worten des Kasseler Oberbürgermeisters Christian Geselle (SPD) den Weg für die landesweiten Pogrome am 9. November geebnet. Die Erfahrung des 7. Novembers sei gewesen, dass kein Widerstand bei der Bevölkerung zu erwarten sei, sagte Geselle am Dienstag (7.11.) bei einer Gedenkveranstaltung zum 79. Jahrestag der Zerstörung auf dem alten jüdischen Friedhof in Kassel. Die Pogromnacht sei schließlich der Auftakt für den späteren Genozid gewesen.

Die evangelische Stadtdekanin und Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Kassel, Barbara Heinrich, bezeichnete den 7. November als einen grausamen Höhepunkt auf einem immer deutlicher werdenden Weg, die jüdische Kultur in Deutschland zu zerstören. Es habe nur wenige gegeben, die damals gemahnt oder protestiert hätten, auch in den Kirchen. «Als Kirchen haben wir Anteil am Versagen und der Schuld unseres Volkes», sagte Heinrich. Die späten Schriften Martin Luthers über die Juden seien für die Nationalsozialisten eine Fundgrube für judenfeindliche Zitate gewesen. Die Evangelische Kirche in Deutschland habe sich auf ihrer Synode im Jahr 2015 mit Trauer und Scham von diesen antisemitischen Schriften Luthers distanziert.

Die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde in Kassel, Ilana Katz, würdigte die Erinnerungsarbeit, die in Deutschland und in Kassel betrieben werde. «Ohne Vergangenheit gibt es keine Zukunft», sagte sie. Die jüdische Gemeinde sei ein Teil der Kasseler Stadtgesellschaft geworden. Es gelte, gemeinsam dem Antisemitismus zu widerstehen.

Am Nachmittag startete das Kasseler Friedensforum einen Mahngang vom Platz der ehemaligen Synagoge zum Kulturbahnhof, bei dem unter anderem auch neu gesetzte Stolpersteine aufgesucht wurden. Zum Gedenken an die Opfer war zudem um 22 Uhr eine Andacht in der Kasseler Martinskirche geplant.

Am Mittwoch, 8. November, wird es um 18 Uhr im Bürgersaal des Kasseler Rathauses eine Gedenkfeier mit der Schauspielerin Heidi de Vries geben. Unter dem Titel «Unfreiwillig in die Welt hinaus» liest sie aus Lebenserinnerungen emigrierter jüdischer Mitbürger.

Ebenfalls am Mittwoch gibt es um 17 Uhr in der Bad Hersfelder Sankt Lullus-Sturmius-Kirche eine ökumenische Gedenkandacht, im Anschluss werden um 17.45 Uhr an der Gedenkstätte für die jüdischen Opfer am Schillerplatz die evangelische Pröpstin Sabine Kropf-Brandau und Landrat Michael Koch (CDU) sprechen. (08.11.2017)