Redaktion ekkw.de
Veröffentlicht 15 Sep 2016

Kassel (medio). Sind für hirntot erklärte Menschen Tote oder Sterbende? Dieser Frage ging gestern auf einem gemeinsamen Studientag der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, der Evangelischen Frauen in Deutschland e.V. (EFiD) und der Evangelischen Akademie Hofgeismar ein Fachpublikum aus Theologie, Medizin und Recht in Kassel nach.
 

 Wann können Organe entnommen werden?

«Der Tod, so merkwürdig es auf den ersten Blick klingt, ist nicht nur ein biologisches Widerfahrnis, sondern auch eine kulturell definierte Größe», eröffnete Prof. Dr. Martin Hein, Bischof der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, die Tagung. Die Möglichkeiten der modernen Medizin, so Hein, hätten dies bei der Fragestellung der Organspende in den Blickpunkt gerückt: «Sind Hirntote Tote oder Sterbende und wann können Organe entnommen werden?» Wie schwierig diese Frage sei, zeige sich zum Beispiel daran, dass auch der Deutschen Ethikrat keine abschließende Position bezogen, sondern zwei unterschiedliche Voten formuliert habe. Dieser Dissens zeige, so Hein, der selbst Mitglied des Rates ist, dass der öffentliche Diskurs zu diesem Thema weiterhin geführt werden müsse.

Die Position der Evangelischen Frauen in Deutschland machte deren Vorsitzende Susanne Kahl-Passoth deutlich. «Wir sind der Meinung, dass hirntote Menschen Sterbende sind.» Es gehe hierbei um Fragen, die keinesfalls nur medizinisch beantwortet werden könnten. Diese bedürften mindestens ebenso sorgfältiger ethischer und rechtlicher Überlegungen und Abwägungen, so die Theologin. «Wir müssen und wollen unsere besondere Kompetenz für Fragen der menschlichen Würde von Anfang bis Ende des Lebens in diesen Diskurs einbringen», stellte Kahl-Passoth klar.

Biblisch gibt es keine Trennung von Geist und Körper

Oberkirchenrätin i.R. Cornelia Coenen-Marx, die bis 2015 das Referat für Gesellschafts- und Sozialpolitik der Evangelischen Kirche in Deutschland leitete, stellte die von René Descartes eingebrachte Trennung von Geist und Körper in Frage: «Biblisch gibt es diese scharfe Trennung nicht.» Dies habe klare Konsequenzen, da es somit keine Verfügbarkeit über den Körper gebe und eine seelsorgerliche Begleitung gewährleistet sein müsse. Angehörige seien oftmals sehr kurzfristig mitbetroffen und trotzdem zwingend in den Prozess der Organentnahme einzubinden.

Der Jurist Prof. Dr. Wolfram Höfling, ebenfalls Mitglied im deutschen Ethikrat, wertete gemeinsam mit Bischof Hein das Hirntodkriterium «als notwendiges aber nicht hinreichendes Todeskriterium». Da man bei hirntoten Patienten nicht von Leichen sprechen könne, müsse sich auch von der sogenannten «dead-donor-rule» verabschiedet werden, die eine Organentnahme nur bei Toten erlaubt. Wichtiger sei eine wirklich gute Informationskultur zu dem Thema und eine freiwillige Vorabeinwilligung in die Explantation.

Direktor Karl Waldeck von der Evangelischen Akademie Hofgeismar wertete die heutige Veranstaltung als Indiz dafür, dass bei weitem noch nicht alle Fragen zu den Themen Tod, Hirntod und Organspende geklärt seien. «Eine einschlägige Statistik vom Juni diesen Jahres zeigt, dass zwar 81 % der Befragten der Organspende eher positiv gegenüberstehen, aber nur 32 % einen Organspendeausweis besitzen.» Waldeck warnte davor, als alleinige Ursache für diese augenscheinliche Diskrepanz eine mangelnde Öffentlichkeitsarbeit anzusehen.(15.09.2016)

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akademie-hofgeismar.de

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