Für jedes Opfer legten während der Trauerfeier Angehörige, Freunde und Vertreter aus Politik und Stadtgesellschaft weiße Rosen nieder. Unser Foto zeigt einen Ausschnitt aus der Fernsehübertragung der Trauerfeier. (Quelle: hessenfernsehen)

Für jedes Opfer legten während der Trauerfeier Angehörige, Freunde und Vertreter aus Politik und Stadtgesellschaft weiße Rosen nieder. Unser Foto zeigt einen Ausschnitt aus der Fernsehübertragung der Trauerfeier. (Quelle: hessenfernsehen)

Redaktion ekkw.de
Veröffentlicht 04 Mär 2020

Hanau (epd/medio). Zwei Wochen nach dem rassistischen Anschlag von Hanau haben rund 650 geladene Gäste in einer zentralen Trauerfeier der Opfer gedacht. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier nannte bei dem Trauerakt am Mittwochabend (4.3.) jeden Einzelnen der Getöteten beim Namen, auch die Mutter des Attentäters. «Wir sind alle erschüttert über ein terroristisches Verbrechen, einen brutalen Akt mörderischer Gewalt», sagte er. Der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier sagte, der Anschlag sei auch ein Angriff auf die offene Gesellschaft gewesen, «auf das Leben in Frieden und Freiheit». Auch Angehörige und Freunde der Opfer sprachen teils sichtlich bewegt bei der Gedenkfeier.

Bundespräsident: Tat ist Anschlag auf Grundverstädnis des Zusammenlebens

Steinmeier betonte, in die Trauer und Wut mische sich auch Entschlossenheit. «Wir stehen zusammen, wir halten zusammen, wir wollen zusammen leben», sagte er bei der Trauerfeier im Congress Park in Hanau, an der auch Bundeskanzlerin Angela Merkel teilnahm. Die Tat vom 19. Februar sei ein Anschlag auf «unser Grundverständnis von Zusammenleben» gewesen. Jeder Mensch habe die gleiche Würde und die gleichen Rechte.

Es gebe keine Bürger zweiter Klasse, keine Abstufungen im Deutschsein, betonte der Bundespräsident. Die Tat sei auch ein Anschlag auf die Freiheit und auf den gesellschaftlichen Frieden gewesen. Wer den Einzelnen nur noch als Teil einer Gruppe sehe, befördere die Spaltung zwischen «uns» und «denen», sagte Steinmeier. Aus Mitbürgern würden erst Fremde und dann Feinde gemacht. Am Ende stehe die Gewalt.

Bouffier rief dazu auf, nicht gleichgültig zu sein angesichts der grausamen Morde. Vielmehr müsse jeder dem Hass und der Gewalt wachsam und mutig entgegentreten, sagte er.

Bischöfin Dr. Hofmann: Zusammenhalten und gegen Rassismus aufstehen

Die Bischöfin der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, Dr. Beate Hofmann, sagte am Rande der Trauerfeier: «Für mich ist der Schmerz und die Trauer der Familien, der Freunde und auch der ganzen Stadt deutlich geworden.» Sie habe die Feier als sehr bewegend erlebt und die  Menschen, die erschossen wurden, seien noch einmal sehr plastisch geworden, so Hofmann gegenüber der Deutschen Presse Agentur. Die Menschen würden nach wie vor erschüttert sagen: «Wir sind doch alle Hanauer und wir wollen uns nicht auseinanderdividieren lassen.»
 
Die Bischöfin zeigte sich überzeugt davon, dass die Ereignisse für die Menschen in Hanau, in Hessen und in Deutschland insgesamt auch in Zukunft nicht vergessen sein werden. «Ich hoffe sehr, dass es nochmal mehr ein Schritt ist, der zeigt: Wir müssen jetzt zusammenhalten, wir müssen Demokratie verteidigen und wir müssen gemeinsam gegen Rassismus aufstehen und gegen rassistisches Denken arbeiten», so Dr. Hofmann.

Oberbürgermeister Kaminsky: Opfer waren keine Fremden

Der Hanauer Oberbürgermeister Klaus Kaminsky (SPD) betonte, dass die Opfer keine Fremden gewesen seien, sondern Bürgerinnen und Bürger der Stadt, der Region und des Landes. «Hanau ist vielfältig», sagte er. «Wir glauben unterschiedlich, wir leben unterschiedlich, wir sprechen unterschiedlich, aber uns eint der Respekt vor den Mitmenschen, die Nächstenliebe, die Toleranz und die unerschütterliche Freude am Leben.»  An die Angehörigen der Opfer gerichtet versprach Kaminsky, dass die Stadt für die Toten des 19. Februar eine Gedenkstätte errichten werde, damit deren Namen niemals vergessen würden. Ihnen allen werde posthum die goldene Ehrenplakette der Stadt Hanau verliehen.

Opferfamilien formulieren Angst, Trauer, Wut und «unfassbare Leere»

Kemal Kocak, der Betreiber des Kiosks im Stadtteil Kesselstadt, in dem der Täter vier Menschen erschoss, sagte, sein Herz blute angesichts der schrecklichen Tat. Er habe seitdem Angst, mit seinen Kindern auf die Straße zu gehen. Jeder Einzelne müsse dazu beitragen, dass ein solcher Anschlag in Deutschland nie mehr passiere. «Wir wollen nicht mehr viele Worte, sondern Taten sehen», sagte er.

Ajla Kurtovic, die Schwester eines der Opfer, sagte: «Ich empfinde keinen Hass. Ich möchte deutlich machen, dass Hass den Täter zu seiner rassistischen Tat getrieben hat. Davon möchte ich mich abgrenzen.» Nach dem Tod ihres Bruders bleibe eine «unfassbare Leere», der Schmerz in ihrer Familie sei groß. (06.03.2020)

Mediathek:

Der Hessische Rundfunk hat die Feier live aus Hanau im hr-fernsehen übertragen. Die Aufzeichnung finden Sie in der ARD-Mediathek:

ardmediathek.de/hr/

Internetradio:

Anlässlich der Trauerfeier sendete die Radio-Welle hr4 in der Kirchenreihe «Übrigens» heute den Beitrag «Wir sind ein Land» von Pfarrer i. R. Michael Becker (Kassel), den Sie hier nachhören können:

Internetradio:

Große Anteilnahme bei der Trauerfeier in Hanau: Radioreporter Pfarrer Siegfried Krückeberg vom Medienhaus der EKKW über die Ereignisse und wie die Menschen in Hanau mit dem Schmerz umgehen: