Die Besucherinnen und Besucher mit Bischöfin Dr. Beate Hofmann (1. Reihe, 2.v.l.) und weiteren Vertreterinnen und Vetretern der Kirchenleitung vor dem Haus der Stiftung Adam von Trott in Imshausen. (Fotos: medio.tv/Dellit)

Die Besucherinnen und Besucher mit Bischöfin Dr. Beate Hofmann (1. Reihe, 2.v.l.) und weiteren Vertreterinnen und Vetretern der Kirchenleitung vor dem Haus der Stiftung Adam von Trott in Imshausen. (Fotos: medio.tv/Dellit)

Redaktion ekkw.de
Veröffentlicht 26 Apr 2023

Vertreterinnen und Vertreter der Partnerkirchen aus den Niederlanden waren vom 11. bis zum 13. April 2023 zu Gast in der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck. Zur Gruppe gehörten (s. Foto oben, vorne v.l.): Classispredikant Ds. Marco Luijk, Bischöfin Dr. Beate Hofmann, Bischof Dr. Gerhard de Korte, Oberlandeskirchenrätin Claudia Brinkmann-Weiß, dahinter Pfarrerin Christina Schnepel, Pfarrer drs. Ton Sip, Classissekretär Simon Middelkamp, Präses Arie Hassnoot, Pfarrer Dr. Martin Streck, Prälat Burkhard zur Nieden und Egbert van der Stouw. Medienhaus-Redakteur Olaf Dellit schildert seine Eindrücke von dem Besuch im Beitrag.

Bebra. Was hat eine finnische Bibliothek namens Oodi mit Kirchen in Deutschland und den Niederlanden zu tun? Vielleicht mehr, als man ahnt. So könnte man ein Ergebnis der gemeinsamen Tagung von Delegationen der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, des katholischen Bistums von ´s-Hertogenbosch und der protestantischen Kirchenregion («Classis») Noord-Brabant, Limburg und der Réunion Wallonne beschreiben. Die Kirchenleitungen und weitere Delegierte trafen sich dieses Mal in Kurhessen-Waldeck, in der Gedenk- und Tagungsstätte der Stiftung Adam von Trott in Bebra-Imshausen. Thema war «Innovative Kirche». Bei den Berichten aus den teilnehmenden Kirchen zeigte sich, dass die Probleme in beiden Ländern vergleichbar sind: schrumpfende Mitgliedszahlen und Nachwuchsmangel in den Pfarrämtern beschäftigen die Verantwortlichen dies- und jenseits der Grenze gleichermaßen. Allerdings ist die Säkularisierung in den Niederlanden deutlich weiter vorangeschritten, nur noch 32% der Bevölkerung gehörten laut einer Statistik von 2021 einer der großen Kirchen an (18% katholisch, 14% evangelisch); in Deutschland sind es knapp unter 50 Prozent (26% katholisch, 23,7% evangelisch). Zentrale Frage der Tagung war, welche innovativen Ideen Kirchen in dieser Situation entwickeln können.

In ihrem Vortrag zu Innovation und Exnovation (damit ist das geplante Aufgeben von Dingen gemeint, die nicht mehr funktionieren) stellte Prof. Sandra Bils (Arbeitsstelle midi und CVJM-Hochschule Kassel) zunächst die Bibliothek Oodi in der finnischen Hauptstadt Helsinki vor, die viel mehr und völlig anders ist als eine klassische Bibliothek: Dort gibt es Workshops, zum Beispiel an der Nähmaschine, Räume für Büroarbeiten, Konferenzen und Computerspiele, Bäume mitten im Gebäude, ein Restaurant, aber auch eine Kinderecke und viele Parkplätze für Kinderwagen – getrennt zwischen leer und mit einem schlafenden Kind darin – sowie vieles mehr. Natürlich gibt es auch tausende Bücher, bei deren Lektüre man völlig selbstverständlich Kaffee oder Wein trinken darf. Bils berichtete, dass Besucher und Besucherinnen im Schnitt drei Stunden im Gebäude blieben. Die Oodi verändert sich dabei immer, es kann also morgen schon wieder ganz andere Angebote und Workshops geben als heute. Zentral in der Planung, erklärte die Theologin, war die Einbeziehung der Nutzerinnen und Nutzer – die wichtigste Frage, wie diese sich eine Bibliothek wünschten und vorstellten. 

Auf die Bedüfnisse der Menschen eingehen

Um die Bedürfnisse der Menschen geht es auch Pfarrer Dr. Christian Schäfer, der bei der Tagung seine Arbeit in den Dörfern Hundelshausen und Dohrenbach (Witzenhausen) vorstellte. Ob eine Tupperparty, ein Frühschoppengottesdienst, ob Kino in der Kirche oder eine 72-Stunden-Aktion gemeinsam mit den Pfadfindern, immer wieder versucht er auf das zu hören, was die Dorfbewohner und -bewohnerinnen möchten und dorthin zu gehen, wo sie zu treffen sind. Dazu braucht es in seinem Konzept Netzwerke mit vielen Partnern, mit der Kommune, mit Parteien, Vereinen und Verbänden, aber auch mit Geschäftsleuten. Schäfer erzählte von einem Gottesdienst in einer Brauerei und wie aus diesem Kontakt der Wunsch nach einer Taufe entstanden sei. Sein Konzept einer sozialraumorientierten Arbeit fasste er mit den Worten «zuhören und zutrauen» zusammen. 

Zum Abschluss der Tagung besuchten Deutsche und Niederländer einen besonderen Ort kirchlicher Innovationen: den Himmelsfels in Spangenberg. Auf einem künstlich geschaffenen Berg begegnen sich Christen aus vielen Ländern, die dort als Freiwillige ein Jahr mitarbeiten. 4.000 bis 5.000 Jugendliche im Jahr, darunter viele Konfirmanden und Konfirmandinnen, kommen für einen oder mehrere Tage zu Besuch. Sie wohnen in den «Botschaften» einzelner Länder, die in selbst eingerichteten Wohnwagen untergebracht sind. An jedem Werktag gibt es drei geistliche Zeiten: SAM (Stille am Morgen), BAM (Bibel am Mittag) und Gafra (Gospel am frühen Abend). 

Pfarrer Johannes Weth führte die Gruppe gemeinsam mit seinen Kollegen Steve Ogedegbe und Frank Weber über das Gelände und sagte, dies sei ein Ort, an dem Kirche lernen könne, interkulturell zu sein. Vielerorts auf dem Berg findet man in Handarbeit entstandene Mosaike – in denen Weth ein Bild für die ökumenische Gemeinschaft dort sieht. Jeder Mensch diene seinem Bruder oder seiner Schwester bis zu dessen bzw. deren Grenze oder Kante – analog zum Mosaikstein – die Zwischenräume fülle Gott.

Neben den praktischen Beispielen gab es für niederländische und deutsche Teilnehmende der Tagung auch theoretische Impulse, Berichte über Innovationen und Forschungsprojekte in den Niederlanden, angeregte Diskussionen, einen Besuch im Adam-von-Trott-Museum, freundschaftliche Gespräche und Andachten in der Kapelle im Keller des Trott-Hauses. Das nächste Treffen der drei Kirchen, deren Partnerschaft schon länger als 50 Jahre andauert, ist für kommendes Jahr in den Niederlanden geplant – auch dann wird es wieder um die Situation und um neue Wege der Kirche gehen. (17.04.2023)