Und ab durch den Mittelgang: Die Kinder der Kindertagesstätte Erlöserkirche Fasanenhof hatten beim Fotoshooting sichtlich Spaß und erobern den Kirchenraum mit den Bobby-Cars ganz auf ihre Weise. (Fotos: medio.tv/Schauderna)

Und ab durch den Mittelgang: Die Kinder der Kindertagesstätte Erlöserkirche Fasanenhof hatten beim Fotoshooting sichtlich Spaß und erobern den Kirchenraum mit den Bobby-Cars ganz auf ihre Weise. (Fotos: medio.tv/Schauderna)

Redaktion ekkw.de
Veröffentlicht 06 Feb 2023

Kassel. Manchmal wird es eng, wenn zwei Bobby-Cars gleichzeitig um die Kurve sausen. Die Kinder schenken sich im Rennen nichts, sie treiben die Plastik-Flitzer mit reichlich Energie und Lautstärke zwischen den Kirchenbänken durch den Mittelgang, dann links herum bis vor den Altar - und wieder von vorne.

Diese Szene in der Erlöserkirche in Kassel kann Jesus nicht vor Augen gehabt haben, als er sagte: «Lasset die Kinder zu mir kommen» (Markus 10,14). Aber sie hätte ihm wohl gefallen. Für die Kinder der Evangelischen Kindertagesstätte Fasanenhof ist der Kirchenraum vertraut. Durch einen Teil-Neubau wird es bald auch einen direkten Zugang geben, denn die Kita wächst, wie ihr Leiter Carsten Rohrberg erläutert. Von ursprünglich vier wurde sie auf fünf Gruppen erweitert, sodass es dort nun 112 Kita-Plätze gibt, von zehn Monaten angefangen. Derzeit sind 88 Kinder in der Kita, weil zehn von ihnen wegen einer Behinderung intensivere Betreuung benötigen. Der Bedarf ist indes riesig. Laut Rohrberg stehen 170 Kinder auf der Warteliste.

Die große Kirche wird nur an wenigen Stunden in der Woche von der Gemeinde genutzt, da lag es nahe, dass nun immer mal wieder Kita-Kinder dort Zeit verbringen. «Wir wollen, dass der Kirchenraum gut genutzt wird», sagt auch Gemeindepfarrerin Claudia Barth. In der Kirche entsteht unter der Empore ein Gemeindesaal, sodass die Umnutzung des früheren Gemeindehauses kein Problem für Gruppen der Gemeinde darstellt.

Drehte bei unserem Besuch selber eine Runde auf dem Bobby-Car: Kita-Leiter Carsten Rohrberg.

Drehte bei unserem Besuch selber eine Runde auf dem Bobby-Car: Kita-Leiter Carsten Rohrberg.

Der Wochen-Abschlusskreis der Kita am Freitag ist ein fester Anlass, um in die Kirche zu gehen, erläutert Rohrberg. Auch Gottesdienste und Sankt Martin wurden dort gefeiert, zu einem anderen Anlass gestalteten die Kinder Kerzen. Das oft schlammige Außengelände sei nicht immer nutzbar, da biete die Kirche Platz für Raumerfahrungen. Allerdings sei sie auch nicht ständig für die Kinder offen, erklärt der Leiter. So bleibe der Raum etwas Besonderes, aber nicht fremd. Besonders beeindruckt seien die Kinder, wenn er – Rohrberg ist auch Organist – die mächtige Orgel ertönen lässt und die Kinder auch selbst in die Tasten greifen dürfen. 

Zusammenwachsen von Kita und Kirche ist Teil eines größeren Engagements

Das Zusammenwachsen von Kita und Kirche ist Teil eines größeren Engagements des Stadtkirchenkreises Kassel im Stadtteil Fasanenhof. Dort nämlich steht auch ein in die Jahre gekommenes Pfarrhaus auf einem 1.400 Quadratmeter großen Grundstück. «Lohnt es sich, das Pfarrhaus einzeln zu sanieren?», habe man sich gefragt, erläutert Dekanin Barbara Heinrich, und sich für das Nachdenken und Planen viel Zeit gelassen. Nun steht der Plan: Auf dem Gelände baut der Kirchenkreis vier Reihenhäuser, in eines davon werden Pfarrwohnung und Pfarramt integriert. 

So sollen die kirchlichen Wohnhäuser in der Lenaustraße in Kassel aussehen. (Illustration: Reichel-Architekten)

So sollen die kirchlichen Wohnhäuser in der Lenaustraße in Kassel aussehen. (Illustration: Reichel-Architekten)

Wenn die Wohnungen fertig sind, sollen sie zu ortsüblichen Preisen vermietet werden. Der Standort sei zum Beispiel für Familien attraktiv und für Menschen, die im nahen Klinikum arbeiten, sagt die Dekanin. Die Kirche setze damit auch ein Zeichen, dass ihr der Stadtteil wichtig sei. Nachbarn und Ortsbeirat seien informiert worden, das Echo sei positiv. 

Die genaue Miete lasse sich jetzt vor Baubeginn noch nicht exakt beziffern, sagt Alexander Reitz, Leiter des Stadtkirchenamts. Er gehe aber davon aus, dass sie «recht moderat» ausfalle. Die kirchlichen Wohnungen sollen keine Luxusimmobilien werden. Natürlich hoffe der Kirchenkreis auch auf Einnahmen, erläutert die Dekanin, zunächst aber müsse der Bau erst durch die Mieteinnahmen finanziert werden. Reitz rechnet mit einer eher geringen Rendite, aber es gehe ja auch nicht in erster Linie um das Geld, sondern um den Wohnraum: «Wir investieren in das, was in Kassel fehlt.» Er hofft, dass im Jahr 2025 die Häuser bezogen werden können. 

Die Fragen nach kirchlichen Gebäuden stellen sich überall

Die Fragen nach kirchlichen Gebäuden stellen sich im ganzen Kirchenkreis, ja in der ganzen Landeskirche. Barbara Heinrich hat zahlreiche Beispiele, wo ehemalige Gemeindehäuser bereits anders genutzt werden, etwa von Schulen und Diakoniestationen. Darüber werde man sich auch in Zukunft viele Gedanken machen müssen, nicht zuletzt auch um die Kirchen selbst. Bei großen Veränderungen gelte es, behutsam vorzugehen. «Da muss man viele Menschen mitnehmen und viele Gespräche führen», sagt die Dekanin. 

Reformprozess: Gebäudebedarfsplan für jeden Kirchenkreis

Viele der rund 3.200 Gebäude in der Landeskirche entsprechen nicht mehr den Bedarfen. Zudem seien vielerorts Sanierungen erforderlich, erläuterte Baudezernent Timo Koch bereits im vergangenen Jahr im Rahmen der Herbsttagung der Landessynode. Die Mitglieder des höchsten Gremiums der Landeskirche hatten verschiedene Rahmenprozesse auf den Weg gebracht, darunter einen für die Gebäude. 

Im laufenden Reformprozess soll bis 2026 in jedem Kirchenkreis ein Bedarfsplan für alle Gebäude aufgestellt werden, der sich an drei Kategorien orientiert: Erhalt, Abgabe oder Umnutzung/Entwicklung. Ziel sei es, den Gebäudebestand in der gesamten Landeskirche an die künftigen Bedarfe zur Erfüllung des kirchlichen Auftrags, an ökologische Anforderungen und zur Verfügung stehende finanzielle Ressourcen anzupassen. Weitere Informationen zu den Rahmenprozessen und zum Reformprozess finden Sie hier: ekkw.de/reformprozess

Auch im Fasanenhof waren die Neuerungen Ergebnis eines längeren Prozesses. Die Verbindungstür zwischen Kindertagesstätte und Kirche zeige nun zum einen, dass die Kita eine evangelische Einrichtung ist. Zum anderen, so Heinrich, sei das Signal: Kinder und Jugendliche sind in der Kirche willkommen. 

Und die Neuausrichtung senkt nicht nur bei den Jüngsten die Hemmschwelle, sagt Kita-Leiter Carsten Rohrberg. Zu Sankt Martin gab es eine Andacht in der Kirche, zu der die Eltern selbstverständlich mitkamen. Er erzählt auch von einer Familie von Geflüchteten, die sich für ihr Kind die Kindertagesstätte ansahen und so zum ersten Mal in ihrem Leben in eine Kirche kamen. Zum engen Kontakt zwischen Gemeinde und Kita gehört, dass Pfarrerin Barth regelmäßig dort biblische Geschichten erzählt und es viele gemeinsame Projekte gibt, etwa beim Krippenspiel. Der Fasanenhof könnte also ein Modell für die kirchliche Zukunft sein. Anders gesagt: Die Kinder auf den Bobby-Cars sind Vorreiter – beziehungsweise Vorfahrer. (06.02.2023, Text: Olaf Dellit)

Linktipp:

Weitere Informationen zum Projekt finden Sie auf den Internetseiten der Evangelischen Hoffnungskirchengemeinde Kassel unter:

hoffnungskirchengemeinde.de

Reformprozess:

Im laufenden Reformprozess der EKKW soll bis 2026 in jedem Kirchenkreis ein Bedarfsplan für Gebäude aufgestellt werden, der sich an drei Kategorien orientiert: Erhalt, Abgabe oder Umnutzung/Entwicklung.