Redaktion ekkw.de
Veröffentlicht 06 Dez 2008

Kassel (epd). Die Zehn Gebote gelten nach Auffassung des Berliner Wirtschaftswissenschaftlers Prof. Dr. Gert G. Wagner auch ungeteilt für Unternehmen. «Wer sich als Unternehmen daran hält, hat kein Problem damit, was er in einer Situation machen soll und was nicht», sagte Wagner am Freitagabend in Kassel beim Adventsempfang der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck (EKKW). Dies gelte vor allem im Hinblick auf die goldene Regel «alles, was ihr wollt, das
euch die Leute tun, das tut ihnen auch». Diese Regel finde sich in der Bergpredigt.

Wagner, der auch Vorsitzender der Kammer für Soziale Ordnung der Evangelischen Kirche in Deutschland ist, sprach bei dem traditionellen Empfang zum Thema «Unternehmerisches Handeln in evangelischer Perspektive». Er hob hervor, dass der zur Marktwirtschaft gehörende Eigennutz bereits im Gebot der Nächstenliebe angelegt sei. Dort heiße es ja nicht nur, dass man den Nächsten lieben solle, sondern auch sich selbst. «Der christliche Glaube verurteilt nicht per se Eigenliebe und Eigennutz», erklärte er.

Allerdings gebe es auch Grenzen, schränkte Wagner ein. «Jeder muss die Chance zur gesellschaftlichen Teilhabe haben», forderte er eine sozial regulierte Marktwirtschaft. In den USA oder Großbritannien gebe es im Vergleich zu Deutschland eine deutlich geringere soziale Durchlässigkeit. Die Ungerechtigkeit sei aber in Deutschland noch nicht so weit verbreitet, «dass wir unsere Gesellschaft nicht mehr als soziale Marktwirtschaft bezeichnen könnten», beschrieb er die
gegenwärtige Lage.

Kritisch wandte sich Wagner gegen Forderungen der Politik nach mehr Eigenverantwortung. Nicht jeder Mensch sei zum Unternehmer geeignet. »Die Politik sollte aufhören, ständig die Übernahme von Risiko und Eigenverantwortung zu predigen. Man sollte den Menschen so nehmen, wie er ist«, sagte er. Den Kirchen empfahl er, bei der Formulierung von Details zur Verbesserung der Gesellschaft zurückhaltend zu sein. Wagner verwies zudem auf eine im Sommer dieses Jahres erschienene Denkschrift der EKD zum unternehmerischen Handeln, in der alles, was derzeit in der Wirtschaftspresse diskutiert werde, bereits zu finden sei.

Zuvor hatte Bischof  Prof. Dr. Martin Hein in seiner Begrüßungsrede hervorgehoben, dass nach evangelischem Verständnis Freiheit und Verantwortung eng aufeinander bezogen seien. «Wirtschaft ist zu den vorletzten Dingen dieser Welt zu rechnen», verwies er auf die theologische Perspektive. Da aber die Welt  andererseits keine wirtschaftsfreie Zone sei, müsse die Kirche auch hier Stellung beziehen. (06.12.2008)