Redaktion ekkw.de
Veröffentlicht 21 Feb 2008

Marburg/Kassel (epd). Der Rechtsextremismus in Deutschland dockt in der Mitte der Gesellschaft an. Dies sagte der Marburger Erziehungswissenschaftler Reiner Becker in einem epd-Gespräch. Becker, der das «Beratungsnetzwerk Hessen  Mobile Intervention gegen Rechtsextremismus», wissenschaftlich begleitet, wies darauf hin, dass laut Umfragen 60 Prozent der Bundesbürger der These zustimmten, dass es zu viele Ausländer in Deutschland gebe.

14 Prozent meinten gar, Juden hätten in Deutschland zuviel Einfluss. «Es gibt eine verbreitete Vorurteilskultur in der Gesellschaft», so Becker. Rechtsextreme Akteure nutzten dies aus und versuchten mit immer neuen Methoden und niederschwelligen Angeboten neue Anhänger zu gewinnen.

«Der Zulauf zu den Rechtsextremen ist ungebrochen», warnte der Wissenschaftler. Für viele Jugendliche sei es inzwischen völlig normal, rechts zu sein. Auch rechtsextreme Videos auf der Internetplattform «YouTube» verzeichneten hohe Zugriffsraten. Allerdings gebe es in Kameradschaften und rechtsextremen Vereinigungen eine hohe Fluktuation. Musik und Alkohol spielten in den Gruppierungen eine wichtige Rolle.

Viele junge Menschen wendeten sich dem Rechtsextremismus zu, weil sie dort Anerkennung fänden, die ihnen anderswo versagt bleibe. Außerdem fasziniere die rechte Jugendkultur, weil sie provoziere, wies Becker auf ein weiteres Motiv hin. In Hessen gebe es zurzeit zwar keine Kameradschaft, die besonders auffällig wäre. Im Übrigen sei die NPD nach der Hessenwahl fast «pleite». «Das kann sich aber jederzeit ändern», warnte Becker, «das ist ein sehr dynamisches Feld».

Um gefährdete Jugendliche zu erreichen, müssten auch die Kirchengemeinden ihre Angebote kritisch überprüfen, ermunterte Becker. «Rechte Jugendliche werden immer jünger», mahnte er. Es gebe schon Elf- bis Zwölfjährige, die rechtsextremistisches Gedankengut verträten.

In der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck arbeitet derzeit eine Koordinierungsgruppe im Rahmen der ökumenischen Dekade zur Überwindung der Gewalt daran, Empfehlungen für die Gemeinden zu formulieren. «Wir wollen Hilfestellungen dazu erarbeiten, wie man dieses Problem angehen kann», so der Leiter der Gruppe, Pfarrer Eberhard Will. Insbesondere wolle sich die Gruppe um Vernetzung bestehender Initiativen bemühen. (21.02.2008)