Grabstätte auf dem Friedhof Wehlheiden in Kassel. (Foto: medio.tv/Schauderna)

Grabstätte auf dem Friedhof Wehlheiden in Kassel. (Foto: medio.tv/Schauderna)

Redaktion ekkw.de
Veröffentlicht 17 Feb 2022

Dr. Volker Mantey ist Propst im Sprengel Marburg der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck. Im Interview spricht er über die Passionszeit im Zeichen der Pandemie und die Frage, warum Gott Leiden zulässt.

«Mein Gott, warum hast Du mich verlassen?», schreit Jesus am Kreuz. Was sagen Sie Menschen, die sich in der Corona-Zeit gottverlassen gefühlt haben?

Dr. Volker Mantey: Ich kann das gut nachvollziehen. Wenn ich Menschen beerdigt habe, die in Folge einer Corona-Infektion verstorben sind, ging es genau darum: Wo ist Gott? Darauf gibt es keine einfache Antwort. Besonders schmerzhaft war es, dass engagierte Christinnen und Christen lange Zeit nicht in die Pflegeheime und auf die Krankenstationen durften, um dort von der Hoffnung zu sprechen. Die Einsamkeit der Menschen dort war mit Händen zu greifen. 

Ich bin aber sehr dankbar für den Einfallsreichtum und die Kreativität der Haupt- und Ehrenamtlichen unserer Landeskirche, etwas für die Bewohner und Bewohnerinnen zu tun – mit Briefen, Videobotschaften oder mit der Trompete im Garten. 

Das ist eine der großen Menschheitsfragen: Warum lässt Gott Tod, Leid, Krankheit zu?

Dr. Mantey: Ich möchte das gerne sehr persönlich beantworten. Zuhause im Wohnzimmer stand bei uns ein großes Porträtfoto meiner Schwester. Sie ist mit 14 Jahren bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Und mit dem Foto war immer die Frage präsent: Warum hat Gott das nicht verhindert?

Ich kann das nicht beantworten, aber mir hilft, was Hiob sagt, wenn er auf sein Leid blickt. Einerseits sagt er: Die Hand Gottes hat mich getroffen. Und kurze Zeit später: Ich weiß, dass mein Erlöser lebt. Für mich bedeutet das, dass sowohl die Wut über das Schicksal vor Gott gehört wie auch das Festhalten daran, dass ich am Ende dennoch nicht aus seiner Hand fallen kann – und meine Schwester auch nicht. 

Die Themen Krankheit und Tod verdrängt unsere Gesellschaft gerne. Das ging in den vergangenen Monaten nicht. Hat das auch Positives?

Dr. Mantey: Die Menschen haben gespürt, dass es Dinge gibt, die man nicht kaufen oder erzeugen kann, sondern sie geschenkt bekommen muss: Gesundheit, Freundschaft, Zusammenhalt in der Nachbarschaft. Mein Eindruck ist, dass wir alle versucht haben, das Leben bewusster wahrzunehmen. Ich wünsche mir, dass wir uns diese Sensibilität bewahren.

Bringt uns die Pandemie Jesu Leiden näher?

Dr. Mantey: Ich kann die Einsamkeit, in der Jesus gestorben ist, nachdem seine Freunde aus Angst geflohen waren, besser verstehen. Durch die Pandemiebeschränkungen steht mir jetzt noch deutlicher vor Augen, was das wirklich bedeutet: einsam sterben. Ich finde es tröstlich, dass Gottes Sohn weiß, wie das ist. 

(Fragen: medio.tv/Olaf Dellit)

Propst Dr. Volker Mantey

Sprengel Marburg

Georg-Voigt-Str. 72a
35039 Marburg